Die Bleiglasfenster der Pfarrkirche Wittichenau

Eine Erläuterung des Dresdner Kunstmalers Hubert Rüther

Die Zahl, Größe und Art der Verglasung der Fenster in der Wittichenauer Pfarrkirche wechselten über die Jahre. Die jüngsten Verglasungen 1747 und 1864 wurden in einfachem Fensterglas, schöner Sternform, jedoch schwacher Verbleiung ausgeführt. Daher war ihnen nur eine kurze Lebensdauer beschieden. 1900 wurden die beiden kleinen seitlichen Nischenfenster unter der Orgelempore zu ihrer jetzigen Größe erweitert. Die Zahl der Fenster betrug damit 14. Bei der Gesamtrenovierung 1933 wurde sie auf 19 erhöht. Es wurden nämlich unten weitere drei Fenster und oben das jetzige „Turm Davids“-Fenster neu angelegt, das hintere Orgelfenster zum Schutze des Orgelwerkes zugemauert und die zwei zugemauerten Fenster an der Salvatorstatue wieder freigelegt. Bei den übrigen Fenstern erwiesen sich Maßwerke, Fensterscheiben - jetziges „Morgensternfenster“ hatte 27 zerbrochene Scheiben - und Verbleiung als sehr stark beschädigt. Darum war die völlige Erneuerung der Fenster notwendig.

Beim Eintritt durch die Kreuzhalle umfängt uns das mystische Halbdunkel einer mittelalterlichen Kirche. Alle unteren Fenster stellen frühchristliche Symbole dar. Unter der Orgelempore rechts sehen wir Fisch und Brot als Sinnbild des heiligsten Altarsakraments, auf verschlungenem Bande den Spruch:

„Ego sum via, veritas et vita“ -
„Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“.

Links gegenüber die den Ölzweig tragende Taube des Friedens mit dem Wahlspruch des Papstes Pius XI.:

„Pax Christi in regno Christi“ -
„Der Friede Christi im Reiche Christi“.

Im folgenden Fenster kommt das Kreuz zur Darstellung in der grünen Farbe der sieghaften Auferstehungshoffnung mit dem Spruche in den Querbändern:

„O mors, ero mors tua“ -
„O Tod, ich (Christus) werde dein Tod sein“.

Gegenüber erblicken wir an der Südseite den verehrungswürdigen Namen Christi monogrammatisch ausgedrückt, und zwar durch die beiden griechischen Buchstaben X (Chi) und P (Rho). Die Buchstaben A (Alpha) und O (Omega) im Querband stehen der erste und letzte Buchstabe des griechischen Alphabets und deuten die Gottheit Christi an, die erste Ursache und letztes Ziel alles Seins ist.
Gleichfalls einen tiefen Sinn haben die beiden Taufkapellenfenster. Die zweifarbigen, den Brunnen entspringenden Wasser deuten auf Blut und Wasser hin, die der Seitenwunde Christi entflossen. Sie symbolisieren Taufe und Altarssakrament. Die vier Füße des Taufbeckens deuten die vier Paradiesesströme: Phison, Gehon, Euphrat und Tigris an. Sie sind Symbole der vier Evangelien. Die beide Fenster verbindende Widmung hält das Andenken an den verdienstvollen Rat Krause lebendig.
Mit diesen sieben unteren Fenstern schließt die Einleitung ab und wir kommen zu den oberen Hauptfenstern.
Diese zeichnen sich vor allem durch Maßwerke aus, die in ihrer stark farbigen Verglasung und symbolisch-ornamentalen Komposition auf die darunter befindlichen Fenster Bezug nehmen. Auf beiden Seiten der Orgelempore sehen wir zwei Textfenster mit Teilen des Magnifikat: Lk. 1,46 und Lk. 1,48. Die verschlungenen Bänder in den Maßwerken symbolisieren die Unendlichkeit Gottes. Die nun folgenden fünf Fenster bis zum Presbyterium stellen Anrufungen aus der lauretanischen Litanei dar.
An der Nordseite beginnen wir mit dem Fenster über dem Eingang: Der goldene Schrein, von vier Hohenpriestern getragen, ist das Symbol der vollkommensten Christusträgerin des Neuen Testaments, die wir als Arche des Bundes anrufen. Die verschiedenen Dreipässe im Maßwerk bedeuten die Dreifaltigkeit.
Das nächste Fenster stellt uns in der „Turris Davidica“ Maria als Zuflucht ihrer Kinder dar. Die oberen Ornamente sind Sinnbilder der irdischen und überirdischen Welt.
Daneben das "Morgensternfenster“. Seine Sinndeutung: Wie der Morgenstern überstrahlt Maria alle Geschöpfe in ihrer Glorie. Die selbst gewählte Inschrift "Maria, steh' uns bei!“ kündet von der  Seelentiefe unserer Krieger. Das dreiteilige Maßwerk in der gleichen Art der Strahlen symbolisiert den einen Gott in drei Personen.
Die Südseite hat weitere zwei Litaneifenster. Als erstes: „Janua coeli“, „Pforte des Himmels“, mit dem strengen Maßwerk der für uns wohl erkennbaren göttlichen Ordnung, die aber für den Menschengeist nicht fassbar ist.
Und als letztes Fenster der Seitenemporen: „Rosa mystica“, die „geheimnisvolle Rose“. Maria, die schönste der Blumen, im Strahlenkranze göttlicher Gnade. Die regenbogenartige Farbgebung im Maßwerk weist auf die Himmelsbrücke und damit auf Maria als Mittlerin zwischen Himmel und Erde hin. Das griechische Kreuz im Kreise bedeutet die Alleinherrschaft Gottes in der Welt.
„Morgenstern“- und „Rosenfenster“ leiten mit ihrer stärkeren Farbigkeit und ihren größeren Formen zu den Glasgemälden des Presbyteriums über. Als erstes Fenster an der Nordseite bewundern wir die heilige Elisabeth, einen Bettler speisend, in den Rosen des Maßwerkes ist auf das Rosenwunder der Legende Bezug genommen.
Über dem Rosenkranzaltar befindet sich das „St. Josephsfenster“. Es steht vor uns der Nährvater Jesu mit Jesusknaben, der die Gesetzesrolle in der Hand hält und damit seine Königswürde andeutet. Im Maßwerk sehen wir stilisierte Lilien, die Blumen des hl. Joseph.
Das „Herz-Jesu“-Fenster stellt Christus in einer Strahlenmandorla dar, die Rechte segnend erhoben und mit der Linken hinweisend auf sein von der Dornenkrone verwundetes Herz, im Ausdruck ernst und an die Schwere der Zeit gemahnend. Zu seinen Füßen liegt die überwundene Welt mit den vier Paradiesesflüssen. Im Maßwerk die Palmen des Sieges auch für den hingebungsvollen Beter: „Heiligstes Herr Jesu, ich vertraue auf Dich!“
Ebenso wirkungsvoll ist das „Herz-Mariä“-Fenster: Maria in Flammenmandorla mit den sieben Schwertern, an die sieben Schmerzen Mariens erinnernd. Das Maßwerk zeigt bourbonische Lilien aus dem Wappen der Zisterzienser. Der Orden der Zisterzienser ist eine französische Gründung und unsere Kirche eine Patronatskirche der Zisterzienserkirche St. Marienstern. Der wendische Text: „Słódka wutroba Marije, budź moje wumoženjo!“ heißt: „Süßes Herz Mariä, sei meine Rettung!“
Als Abschluss das Altarfenster, die hl. Dreifaltigkeit darstellend. In der Mitte der Kelch, die Hostie von Strahlen in der symbolischen roten Farbe der Liebe, des Opferblutes Christi umleuchtet, mit dem Monogramm Christi geziert. Darüber die Taube als Symbol des hl. Geistes und im Maßwerk das Auge Gottes, als Sinnbild der Allwissenheit, umgeben von Strahlen. Unter dem Kelch die Schrift: „Hoc facite in meam commemorationem“ - „Tut dies zu meinem Andenken!“ Dieses Herrnwort bei Lk. 22,19 weist hinüber auf das Mysterium des Hochaltars.

Quelle: "Die katholische Pfarrkirche in Wittichenau", Herausgeber: Katholischer Kirchenvorstand, Wittichenau, 1935, S. 18- 23, geringfügig redaktionell bearbeitet